Monatsandacht November 2020

Gott spricht: Sie werden weinend kommen, aber ich will sie trösten und leiten.
(Jeremia 31, 9)

Kommt mein Kind weinend auf mich zugerannt, nehme ich es – ohne darüber nachzudenken – in oder auf den Arm, halte es fest, trockne die Tränen und frage, was passiert ist, was der Grund für die Tränen ist. Manchmal muss ich gar nicht erst fragen, weil das aufgeschürfte Knie oder die dicke Beule für sich sprechen;

dann versorge ich die Wunde und wir überlegen gemeinsam, wie es dazu kam und manchmal auch wie sich das in Zukunft vermeiden lässt.
Doch oft ist es nicht so einfach, wenn Weinende zu einem kommen – weil sie nicht sichtbar weinen können oder wollen, weil es keine körperlichen Wunden sind und weder Pflaster noch Kühlakku helfen, weil körperliche Nähe (auch unabhängig von Corona) nicht immer möglich oder gewollt ist. So unterschiedlich die Gründe für Verwundung und Weinen sind und so unterschiedlich Menschen und Situationen sind, so verschieden ist auch das, was Weinende brauchen und was ihnen gut tut. Manchmal hilft es sich selber zu fragen (was täte mir an seiner/ihrer Stelle gut) oder auch ganz direkt die/den andere/n zu fragen: was brauchst du, was tut dir jetzt gut, was kann und darf ich für dich tun?
In der Prophezeiung aus dem Jeremiabuch wird beschrieben, wie Gott seinem weinenden Volk gegenüber reagiert und handelt. Wo Krieg, Vertreibung und Flucht Spuren hinterlassen haben, sagt Gott zu, dass ER da ist – tröstet, leitet und begleitet. Hilfreicher Trost funktioniert in den aller wenigsten Situationen innerhalb von Sekunden sondern bedeutet den andern zu begleiten, dabei zu bleiben, zur Seite zu stehen. Viele Stellen in der Bibel zeugen davon, dass Gott sowohl das Volk Israel als auch einzelne Menschen leitet und begleitet - Gott ist und bleibt treu, geduldig und langmütig.
Wie können wir heute Menschen begleiten? Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie müssen wir Nähe und Distanz neu definieren und lernen. Wie kann ich jemandem nah sein, wenn ich ihn nicht besuchen kann, wenn ich sie nicht in den Arm nehmen darf? Oder anderes herum: wie gehe ich mit meiner Trauer, meiner Angst, meinen Nöten um? Wo finde ich Nähe, Trost, Hilfe und Begleitung?
Gott war (und ist) diesbezüglich kreativ und wandelbar: dem Volk Israel zeigt Gott am Tag in einer Wolkensäule und bei Nacht in einer Feuersäule den Weg (2. Mose 13, 21), bei Jona nutzt er einen großen Fisch und einen kleinen Wurm (Jona 2,1 und 4, 7), Elia offenbart er sich in einem stillen, sanftem Sausen (1. Könige 19, 12), die Psalmisten vergleichen Gottes Schutz sowohl mit einer Burg (Psalm 18,3) als auch mit einer Henne (Psalm 91,4 bzw. Matthäus 23,37). – Lasst auch uns kreativ werden und neue Formen der Begleitung und Beziehung, des Miteinander und Füreinander finden.


Mona Kuntze